Helene Peschanel

Heute wäre euer 75. Hochzeitstag... Ich erinnere mich an Deine Erzählungen von der Kriegshochzeit am 16.12.1944 in Saubernitz, deinem Heimatort im Sudetenland, Kreis Aussig. Papa hatte für die Hochzeit ein paar Tage Urlaub bekommen. Los ging es von deinem Elternhaus zur Kirche. Den Weg sind wir 2009 noch einmal zusammen mit Kurt und Jens gegangen, als wir für ein paar Tage deine Heimat besuchten und du auch noch den Weg hoch zum Prebisch Tor geschafft hast! 'Meine Beine sind ja so leicht!' :-) Ja, Heimatgefühl macht leicht und glücklich - beflügelt! 
Von der Kirche seid ihr zur Feier ins Gasthaus gegangen - und dann wurde eure Feier von Fliegeralarm unterbrochen. Aber trotzdem ward ihr glücklich und habt euch den Tag nicht verderben lassen. Dein Kleid und das der 'Kränzelmädchen' war aus Fallschirmseide genäht (hat das Tante Lore gemacht? Ich weiß es nicht mehr...) Wegen des Alarms musstet ihr für das Hochzeitsfoto Tage später noch einmal zum Fotografen. Wunderschön saht ihr beide aus! Und Du, liebe Mama, eine wunderschöne Braut!. Erst kürzlich habe ich Papas Bericht über euren Hochzeitstag und seine wunderschöne Leni wieder einmal gelesen. In blumigen Worten und so voller Zartheit und Liebe. Diese Liebe ist euch geblieben und ihr habt sie immer gelebt und uns Kinder und auch alle anderen Menschen spüren lassen. Ihr ward Liebe!
Leider musstest Du Deinen Weg schon viel zu früh - 1979 - ohne Papa weiter gehen. Aber auch das hast Du gut gemeistert! Wie alles in Deinem Leben!

In ewig dankbarer Erinnerung
Petra

Liebe Petra, heute am frühen Morgen, hatte ich Zeit und Muße, einmal Deine Eintagungen anzusehen, sie zu lesen und auf mich wirken zu lassen. Sie sind ja so intensiv und dicht, daß man sie nicht nur liest, sondern daß sie einen ergreifen. Wie wertvoll ist das! Ich war gerührt und hatte Tränen in den Augen, denn ein großes Stück durfte ich ja schon bei Euch und bei dir mitgehen. Das hat sich wunderbar gefügt. Ich werde daran denken und mich herzlich freuen, wenn ich demnächst mal wieder auf dem Friedhof in Uslar bin.

Selbst dieser Tag, an dem der Tod viel Raum bekommt in unseren Gedanken, wurde durch die Rituale, die Ihr gelebt und zelebriert habt, zu einem besonderen und gar nicht traurigen Tag! Es war der Tag, an dem ihr all Eurer schon verstorbenen Lieben gedacht habt, an dem alle wie selbstverständlich dazu gehörten und dabei waren.
Ich erinnere mich, dass oft an Allerheiligen Jahrmarkt auf der Graft war. Von dort gingen wir zum Friedhof und zündeten Lichter auf den Gräbern an und am Kriegerdenkmal für die Menschen, die ihr viel zu früh verloren habt und die keinen Platz für ihre letzte Ruhe gefunden haben. Vor der Abendmesse haben wir noch einmal nach den Lichtern geschaut. Schon als Kind mochte ich die Stimmung an Allerheiligen auf dem Friedhof, wenn überall die roten Lichter auf den GräBern leuchteten.

Habt Dank für all die Rituale, die ihr gelebt und mir mit auf meinen Weg gegeben habt! Sie helfen auf eine wunderbare Weise, Halt und Orientierung zu geben!

Vor 1 Jahr ging Dein Lebensweg zu Ende...
Eine Woche haben wir Dich begleitet, Deine Hand gehalten, Dir erzählt und vorgesungen... Eine CD zusammengestellt mit Liedern, die Dich durch's Leben getragen haben - Volkslieder und Kirchenlieder, Lieder, die Du fast bis zum Schluss mit uns gesungen hast.  Diese CD lief an Deinen letzten Tagen in Deinem Zimmer, damit die Klänge, die Töne und Worte Deine Seele erfassen, Dich sanft umhüllen und geleiten mögen. Vielleicht konntest Du Deine Gedanken und Gefühle mit ihnen ziehen lassen, so dass die Lieder Deines Lebens hier bei uns Dich auch hinüber getragen haben in das andere ewige Leben...

'Oh, welch ein Tag, wenn wir uns gegenüber stehn und Du merkst, dass Dein Lebensweg ein Weg war zu mir. Dann wirst Du staunen und verstehn, alles hatte seinen Sinn und Du wirst sehn, ich hatte alles in der Hand!'

Der Muttertag war für mich als Kind immer etwas Besonderes...! Du warst meistens in der Frühmesse, und Papa und ich haben das Frühstück vorbereitet und den Tisch gedeckt. Aus dem Garten haben wir ein Sträußchen Vergißmeinnicht für den Frühstückstisch gepflückt. Als ich noch ganz klein war - Kindergartenzeit - gab's für Dich ein gemaltes Bild und ein kleines auswendig gelerntes Gedicht. Später habe ich Dir auch maches Jahr ein eigenes Gedicht geschenkt. Außer das Mittagessen zu kochen, durftest Du an diesem Tag nicht arbeiten und wir haben versucht, Dich ein bißchen zu bedienen und zu verwöhnen. Nachmittags gab's oft schon den ersten Erdbeerboden des Jahres zum Kaffee. Den hast Du - 1x im Jahr - auch nicht machen müssen. Waren ja genug andere da...

Letztes Jahr zum Muttertag habe ich Dich zusammen mit Jens noch in Adelebsen besucht. Du warst 2 Tage zuvor aus dem Krankenhaus gekommen und hattest das Essen und Trinken fast eingestellt. Und auch das Sprechen. Aber mit Deinen Augen hast Du uns so intensiv angeschaut wie noch nie. Jede Bewegung hast Du verfolgt mit einem Blick, der ganz tief zu gehen schien, als wolltest Du alles noch einmal in Dir aufnehmen und alle Bilder für Deine letzte Reise mitnehmen. Es tat weh, Dich so zu sehen und zu erkennen, dass Du dabei warst, Dich auf den Weg zu machen... zu gehen... in eine andere Welt... die Welt, von der wir glauben, dass sie bei Gott ist. Eine Woche haben wir Dich begleitet auf diesem Weg und haben - so gut es ging - diese letzten Tage mit Dir verbracht. Ich hoffe und glaube fest, Du hast unsere Liebe noch spüren können! In unseren Berührungen, unseren Worten und Liedern...

In liebevoller Erinnerung
Deine Petra